Presse

 

zum Jugendliteraturpreis 2013 für John Greens "Das Schicksal ist ein mieser Vertreter":

Interview auf der Buchmesse 2013

mit der Blauen Seite der Bücherpiraten

 


Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.05.2011

 

So wie wir  waren
Der amerikanische Schriftsteller John Green schreibt große Bücher  für Jugendliche. Also  über und für uns alle

Vielleicht liegt es daran, dass die Vereinigten Staaten von Amerika, menschheitsgeschichtlich gesehen, immer noch in der Pubertät stecken, dass so viele ihrer großen Bücher davon handeln, wie man groß wird. Was man dabei falsch machen kann und was richtig, wie man seinen Platz in der Welt findet und merkt, dass andere ihren Platz auch wollen, und oft ist es derselbe, und dann wird es schwierig. Wie man das erste Mal liebt und diese Liebe dann zum ersten Mal verliert, wie man sich weh tut dabei, wie das wieder verheilt und man beim zweiten Mal vorsichtiger wird oder gerade nicht. Wie man ein autonomes Wesen unter anderen autonomen Wesen wird und endlich das Haus verlässt, in die Welt geht und dort feststellt, was man verloren hat oder auch gewonnen, und irgendwann, wenn sich das nicht ausbalanciert, wieder umkehren will, aber es führt kein Weg zurück. "You can't go home again", so heißt eines dieser großen amerikanischen Bücher, Thomas Wolfe hat es geschrieben.

Vielleicht ist das alles aber auch ein großer Quatsch, keine seriöse, nur sentimentale Geschichtsschreibung. Vielleicht ist es einfach Zufall, dass Thomas Wolfe aus Amerika kam, genau wie Harper Lee oder Stephen King. Dass Edward Hopper dort geboren wurde, der Tankstellenmaler, genau wie Bruce Springsteen, der Volltanken-bitte-Sänger, der Sätze in seine Songs schrieb wie "It's a town full of losers / And I'm pulling out of here to win" oder "We swore blood brothers against the wind / I'm ready to grow young again". Ein Zufall, wirklich? Von einem John Hughes aus Schweden oder Honduras hat man jedenfalls noch nichts gehört, es gibt bislang nur den aus dem Mittleren Westen, der Filme wie "Breakfast Club" oder "Pretty in Pink" drehte, Epen mit mythischen Figuren, die immer wieder die gleiche Geschichte erleben: Wir sind jung. Wie geht es jetzt weiter?

Und, nur der Vollständigkeit halber: Jack Kerouac, Peter Fonda und Dennis Hopper, Truman Capote und die Typen von "Glee", alles Amerikaner. Silvia Plath, F. Scott Fitzgerald, Mark Twain, J. D. Salinger, Jack London, Wes Anderson, Donna Tartt.

Und John Green.

Es ist nicht schlimm, noch nie von John Green gehört zu haben, jedenfalls nicht, wenn man älter als 15 ist. John Green schreibt Bücher für 15-Jährige. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick ist John Green einer der wichtigsten amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. Weil er für 15-Jährige schreibt. Und zwar Bücher, die wiederum überhaupt kein Alter haben, irgendwie so knapp über der Gegenwart schweben, dass man nicht sagen könnte, in welchem Jahr sie spielen, nur welcher Augenblick in ihnen beginnt und nicht mehr aufhört: der nämlich, in dem man sich seiner selbst bewusst wird.

Und weil dieser Augenblick eben ein Leben lang nachwirkt, weil man sich ja ein Leben lang fragt, wer man ist und wie es nur dazu kommen konnte, sind die Jugendbücher, die John Green darüber schreibt, wie Nachschlagewerke, wie eine Grammatik, in der man auch mit 25, 35, 55, 65 lesen kann, um zu überprüfen, ob alles richtig war. Und ist. Oder wieder werden kann.

Am besten erklärt es John Green selbst. Wir sitzen im "Café Hoppe", mitten in Amsterdam, wo Green gerade seinen vierten Roman fertigschreibt, sein holländischer Verleger hatte ihn eingeladen (seine Frau, Kuratorin am Museum of Art in Indianapolis, wo die beiden mit ihrem Sohn leben, ist auch dabei und bereitet den amerikanischen Pavillon auf der Biennale in Venedig mit vor). Für die ersten drei Romane, "Eine wie Alaska", "Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen)" und "Margos Spuren", hat Green haufenweise Preise bekommen, auch deutsche. In allen drei Büchern (und auch in "Will Grayson, Will Grayson", das er mit David Levithan schrieb und das gerade übersetzt wird), geht es um Freunde, meist sind es Außenseiter, nerds, und um rätselhafte Mitschülerinnen, deren Rätsel dann, oft am Ende einer langen Nacht im Auto durch die amerikanische Landschaft, halb gelöst werden, halb aber nicht. Die Konstellationen ändern sich kaum.

John Green schreibt über Jugendliche so, wie John Updike über Mittelschichtspaare aus New England und Philip Roth über jüdische Männer aus New Jersey schreiben: weil er aus dem, was ihnen passiert, die ganze Welt ableiten kann. "Ich wollte mit am Tisch sitzen", sagt er selbst, "wenn Jugendliche zum ersten Mal die großen Gespräche darüber führen, was der Sinn des Lebens ist und wie man die anderen behandeln sollte. Ob es einen Sinn darin gibt, zu leiden. Jugendliche reden ohne Ironie über solche Fragen, ganz direkt, und das reizt mich, weil Erwachsene solche Fragen zwar auch umtreiben, aber eben nicht mehr so direkt - wir sind zu beschäftigt damit, über Hypotheken nachzudenken oder darüber, ob unser Baby sein Schläfchen gemacht hat. Für Teenager ist der freie Wille an sich schon interessant."

Wir haben auch über Fußball geredet an diesem Tag (John Green ist Anhänger vom FC Liverpool) und über Obama und Usama und Justin Bieber, es war nicht die ganze Zeit so intensiv, und Bier gab es auch. Aber John Green, der mit Rucksack und im Kapuzenpullover ins Café gekommen war und mit 33 immer noch aussieht, als wäre er als Austauschstudent hier, John Green ist ein ernsthafter Mann. Er hat Theologie studiert, beinah wäre er Pastor geworden, er liebt den großen amerikanischen Komplexschriftsteller David Foster Wallace über alles, und auch wenn Greens Bücher sehr lustig sein können, haben sie oft, gegen Ende meistens, einen Ton wie auf Abiturfeiern. Wie bei Harry Potter, wenn zum Finale Dumbledore kommt, die Knoten der Geschichte löst und noch ein paar Weisheiten mit auf den Weg gibt.

Green lacht, als er das hört, und erzählt dann, dass Mark Twain mal gefragt wurde, warum ausgerechnet er unter allen Humoristen seiner Generation immer noch gelesen würde, und Twain habe geantwortet: "Die anderen haben nur Witze gemacht, ich habe gepredigt." Trotzdem aber landet Greens erstes Buch, "Eine wie Alaska", immer wieder auf dem Index in amerikanischen Highschools, weil besorgte Eltern es für Pornographie halten: wegen einer Szene, in der ein Junge und ein Mädchen Oralsex ausprobieren und überhaupt nicht damit klarkommen und um Rat fragen gehen. Und weil "Fuck" gesagt wird, wie in allen seinen Büchern.

Aber so zu tun, als würden Jugendliche so was nicht sagen, so etwas nicht ausprobieren, wäre das nicht blind? In Berlin, erzählt Green, habe ihn bei einer Lesung eine Schülerin gefragt, ob er echt glaube, dass Teenager nicht wüssten, wie ein Blowjob geht. "Undenkbar in Amerika, so eine Frage", sagt Green. Und dass man nie, nie, nie von oben herab schreiben dürfe, wenn man für Jugendliche schreibe, was Green übrigens immer wollte.

Sein erstes Buch, "Eine wie Alaska" von 2005, handelt von Miles, der auf ein Internat in Alabama kommt und sich am ersten Tag in Alaska Young verliebt, die mit ihm raucht und trinkt und ihn einmal sogar küssen wird, aber in derselben Nacht stirbt sie auch, nur warum? "Die erste Liebe", ein Jahr später erschienen, erzählt von Colin, einer hochbegabten Nervensäge, der 19 Freundinnen namens Katherine hatte und genauso oft von ihnen verlassen wurde, dann mit Freund und Auto einfach losfährt und in Tennessee gerettet wird - nicht von der zwanzigsten Katherine, sondern von Lindsey. "Margos Spuren" von 2008 ist dann Greens schönstes Buch bislang: Margo entführt Quentin mitten in der Nacht und verschwindet nach einem Dutzend Mutproben wieder, und Quentin macht sich auf die Suche nach ihr. Wieder ein Roadtrip, Freunde, große Nächte und Gespräche und Sätze wie: "Ich weiß nicht, wie ich aussehe, aber ich weiß, wie ich mich fühle: Jung. Albern. Grenzenlos." Kopfüber fällt man in diese Bücher und findet oft nur schwer wieder heraus, und wenn, dann betäubt von Nostalgie.

Dylan Thomas, der ausnahmsweise kein Amerikaner war, hat ein Gedicht geschrieben, das wie die Losung für John Greens Bücher klingt: "Should Lanterns Shine" heißt es und endet mit den Zeilen: "The ball I threw while playing in the park / has not yet reached the ground." Greens Augen leuchten auf, als er sie hört, er macht sich sofort eine Notiz in seinem iPhone, am nächsten Tag hat er in einem seiner Blogs darüber geschrieben. Er hat in der Tat mehrere, unter anderem einen Videoblog mit seinem Bruder Hank, der so erfolgreich ist, dass beide davon leben können - und der ungezählte Nutzer zu Lesern von Greens Büchern gemacht hat. Man wird von ihm kein schlechtes Wort über das Internet hören, oder dass es die Kinder verdirbt: "Wenn das stimmt, dann lasst uns zu Facebook gehen und um sie werben. Geben wir sie nicht auf. Gehen wir bitte nicht davon aus, dass sie nicht an langen Erzählformen interessiert sind oder sich nicht auf intellektuellem Niveau mit der Welt beschäftigen."

Dylan Thomas' Zeilen jedenfalls sind in kurzer Zeit von John Greens Blog 99 Mal verlinkt worden. Dieser Ball aus dem Park, der immer noch nicht den Boden berührt, hat John Green ihn auch geworfen? Und sind seine Bücher ein Weg zurück, auch wenn kein Weg zurückführt, um alles noch mal zu erleben und anders zu machen? "Die meisten Schriftsteller verfolgen den Bogen des Balls zurück zum Kind, das ihn geworfen hat", antwortet er. "Mich interessiert, wie es sich anfühlt, wenn man den Ball gerade geworfen hat und der vielleicht gerade den höchsten Punkt überquert - der Arm ist noch in der Luft, das Ende unumgänglich, und dem Kind wird klar, dass es erwachsen werden muss."

In diesen Augenblick wolle er zurück, sagt John Green, dorthin, wo etwas zum ersten Mal geschieht, "weil jedes Mal, wenn ich mich verliebe, das ein Echo meiner ersten Liebe ist. Erste Liebe, erste Freundschaft, das erste Auto - wenn man Teenager ist, passieren jeden Tag Dinge zum ersten Mal. Und dorthin schreibe ich mich zurück, zum reinsten Ausdruck aller Dinge, die mir heute passieren. Dann kann ich mein Leben von heute immer wieder so betrachten, als sei das, was mir geschieht, brandneu und bedeutend." Und so hat John Green, ein Jugendbuchschriftsteller aus Indianapolis, an einem Dienstag im Mai in einer Bar in Amsterdam eine ziemlich einleuchtende Definition dafür gefunden, warum wir Bücher schreiben. Und lesen.

TOBIAS RÜTHER

 

Alle Romane von John Green sind im Hanser-Verlag erschienen, übersetzt von Sophie Zeitz. Den Blog der Brüder Green findet man unter nerdfighters.ning.com - und von dort alle anderen.


Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.05.2011, Nr. 20 / Seite 25

 

 

 


„Green schafft es, sowohl einen tiefgründigen Entwicklungsroman zu gestalten als auch ein umwerfend komisches Roadmovie.“ Ulla Schickling-Hünlich in der Frankfurter Rundschau, 13.4.10

 

„Ein Roadmovie. Ein College-Film. Eine Liebesgeschichte. Ein Buch über die Suche nach Identität beim Aufbruch in die Erwachsenenwelt. Tiefschürfend, ernsthaft, unterhaltsam, spannend, poetisch und berührend.“ Harald Hordych in der Süddeutschen Zeitung, 09.04.10

 

„Mit seinen scharfsichtigen und philosophischen Entdeckungen über das Leben gelingt es Green, nicht nur junge, sondern auch erwachsene Leser bis zum ungeahnten Ende der Geschichte zu verblüffen und zu fesseln.“ Maike Jänike in der Märkischen Allgemeinen Zeitung, 13./14.03.10

Lily Archer: Der Schneewittchenclub

"Schön ironischer Tonfall, mit kräftig upper-class Dekor und Neuengland-Romantik. Wenn das nicht der Stoff ist, aus dem gute Internat-Chicklit gestrickt ist, die ihre Wirkung auch auf reifere Mädchen nicht verfehlt." Fanny Klock in Eselsohr, März 2009

"An dieser Stelle muss ausnahmsweise einmal die Wahnsinnsleistung der Übersetzerin Sophie Zeitz gewürdigt werden, die für das Pidgin-Englisch dieses zusammengewürfelten Personals samt Lewyckas abstrus komischer Metapherngeschosse einen köstlich unverbraucht prolligen Authentizitäts-Slang und martialisch rasenden Plauderton gefunden hat."

Sabine Vogel in der Berliner Zeitung, 15.11.2007

"Kapitän Marlows Reise in den unbekannten Dschungel Ende des 19. Jahrhunderts gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. Der Roman diente Francis Ford Coppola als Vorlage für seinen Film 'Apocalypse now' und fasziniert immer wieder aufs Neue, weil sich Marlows düstere Erlebnisse nie vollständig entschlüsseln lassen. Die Neuübersetzung von Sophie Zeitz bietet nun mit einer präzisen Bildersprache, die - hurra - weder altertümelnd noch umgangssprachlich ist, einen ganz frischen Zugang zu diesem großen Werk."

Tina Rausch im PRINZ 11/2005

"Wohl selten wurde in der Jugendliteratur das ganze Spektrum gewaltiger Gefühle wie Verzweiflung und Selbsthass, Einsamkeit und Trauer, Liebe und Verzeihen mit so knappen Worten und ohne jedes Klischee, dabei so poetisch und ergreifend beschrieben wie in diesem großen Roman aus Australien, so einfühlsam übersetzt."

Hilde Elisabeth Menzel in der Zeit, 2003

"Vor allem seine authentische, hervorragend ins Deutsche übersetzte Sprache macht dieses Debüt lesenswert."

Elke von Berkholz, Financial Times Deutschland, 13.07.2007

 

"Eine wie Alaska ist John Greens Debütroman. Er ist 28 Jahre alt, dicht am Lebensgefühl seiner Personen und kennt ihre ganz spezielle Sprache – sehr gut von Sophie Zeitz ins Deutsche übertragen. Es sind vor allem die witzigen, intelligenten, manchmal auch philosophischen Dialoge sowie Miles’ innere Monologe, die diese Jugendlichen, allen voran die faszinierende Alaska, so lebendig und unverwechselbar machen, dass sie noch lange im Gedächtnis des Lesers nachklingen."

Hilde Elisabeth Menzel in der Zeit, 15.3.2007

 

"Sprachlich bewegt sich das Buch im Spannungsfeld zwischen robuster Jugendsprache und gehobener Umgangssprache, was ja wesentlich durch die Kunst der Übersetzerin geleistet wurde."

RPPoek, Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW

 

"… Der junge amerikanische Autor John Green, Jahrgang 1979, hat mit seinem Debüt, das hier in einer gelungenen Übersetzung vorliegt, sein Erzähltalent unter Beweis gestellt: Von ernsten Themen und großen Gefühlen wir hier tiefgründig und sinnlich berichtet, Ernst, Humor und Selbstironie wechseln einander ab. … Ein Buch, das nachhallt und noch lange Wellen schlägt, das aufwühlt, betroffen macht und in seiner Intensität erschüttert. Große Empfehlung!"

Cornelia Gstöttinger, bn.bibliotheksnachrichten, 2/2007

 

"Ein beeindruckender Jugendroman. Ob seine Figuren tiefsinnig diskutieren oder respektlos daherreden, wir nehmen sie ernst. Die Dialoge sind frappant stimmig im Teenager-Tonfall und aller Tragik zum Trotz oft auch komisch."
Hans ten Doornkaat, NZZ am Sonntag, 18.02.07

 

"Gute Dutzendware, ansprechendes Titelbild und ausgezeichnete Übersetzung."

Maja Mores, Bücherbär, 7/2007

 

"Auch die deutsche Variante gefällt mit wirklich sehr gut, was eher selten vorkommt … warum nicht auch als Klassenlektüre?"

Iris Henninger, Jugendschriftenausschuss des BLLV, 28.11.2007

„Green entwirft schräge Szenen voller Romantik und Situationskomik, in der Jungs auch beredt schweigen dürfen.“

Börsenblatt Spezial, 09.09.08

 

„Green, der mit seinem Erstling Eine wie Alaska schon bewiesen hat, wie nah er dran ist an der Gefühlswelt seiner jugendlichen Leser, trifft auch hier den Ton. Die Dialoge seiner beiden Helden und der liebevoll gezeichneten Nebenfiguren sind von abgründigem Witz."

Anne Overlack, Stuttgarter Zeitung, 12.11.08

 

„Das lesen Jungs, weil wir es ihnen fest in die Hand drücken! Es wäre zu schade, wenn dieses Buch von der Zielgruppe übersehen würde, dafür ist es einfach zu witzig, zu schön, zu schräg, zu schlau. Ein grandioses Stück Literatur, und von mir aus dürfen es die Mädchen auch lesen.“

Jürgen Hees, Bulletin Jugend & Literatur, 11.08

Die schlaflosen Nächte einer Übersetzerin

 

Ein Gespräch mit der Literaturübersetzerin Sophie Zeitz

Nach ihrem Studium der Amerikanistik, Romanistik und Philosophie absolvierte Sophie Zeitz den Aufbaustudiengang Literaturübersetzung. Sie war drei Jahre als Lektorin beim Deutschen Taschenbuch Verlag in München tätig und lebt heute als freie Literaturübersetzerin in Berlin.

Warum haben Sie eine feste Stelle im Lektorat gegen die Tätigkeit als freie Übersetzerin eingetauscht?
Schon mit zwanzig wollte ich Literaturübersetzerin werden. Dorthin führt jedoch kein direkter Weg. Nach dem Studium riet mir meine Mentorin zu einem Volontariat im Verlag. Ich wurde übernommen und blieb drei Jahre. Als Lektorin habe ich mehr übers Literaturübersetzen gelernt als in meinem ganzen Studium. Bei beidem geht es um eins: Bücher machen. Man darf nie wegen eines Worts das Ganze aus den Augen verlieren.

Beschäftigen Sie sich immer mit einer Übersetzung oder sitzen Sie manchmal an mehreren gleichzeitig?
Oft arbeite ich an mehreren Romanen in verschiedenen Phasen - z.B. dem letzten Korrekturgang eines Krimis und der Rohübersetzung eines Kinderbuchs. Das macht Spaß und hilft gegen Tunnelblick.

Woran arbeiten Sie im Moment?
Ein Krimi von Karin Slaughter ist kurz vor der Abgabe. Als nächstes redigiere ich für einen Verlag ein Manuskript, danach habe ich einen schönen Roman zu übersetzen, der mir den Berliner Winter erträglich macht.

Wie viel Zeit planen Sie für die Übersetzung eines ca. 300 Seiten dicken englischen Romans ein?
Das hängt von der Art des Texts ab. Einen leichten Krimi von 300 Seiten kann ich, wenn nötig, in zwei Monaten übersetzen. Anspruchsvollere Romane dauern länger: Für die 130 Seiten von "Herz der Finsternis" habe ich vier Monate gebraucht. Da muss ich sehen, wie ich mir das leisten kann, denn bezahlt wird pro Seite.

Wie kam es dazu, diesen Klassiker von Joseph Conrad, von dem schon so viele Übersetzungen existieren, neu zu übersetzen?
Übersetzungen sind immer auch Zeiterscheinungen. Daher tut es Klassikern gut, wenn sie von Zeit zu Zeit neu übersetzt werden. Dann stellt sich die Frage, ob ein Verlag etwas neu herausgeben will - viel Geld ist da nicht drin. "Herz der Finsternis" passte gerade gut ins Verlagsprogramm und ich war begeistert: Der Roman liegt mir am Herzen, seit ich 16 bin. In solchen Fällen ist eine besondere Hingabe nötig, sonst kommt man mit der Herausforderung - und dem Honorar - nicht zurecht.

Mit dem spannenden und blutigen Thriller "Cupido" erklomm die Amerikanerin Jilliane Hoffman die internationalen Bestsellerlisten. Sie haben das Buch ins Deutsche übersetzt. Bereiten Ihnen Aufträge wie diese schlaflose Nächte?
Bei "Cupido" hatte ich Alpträume. Bei jedem Korrekturgang an der Stelle, wo der Mann mit der Clownsmaske in Chloes Wohnung lauert. Allerdings hatte ich die schlaflosen Nächte auch, weil das Buch rasend schnell fertig sein musste. Hoffmans neuer Krimi "Morpheus" ist übrigens gerade fertig geworden.

Was lesen Sie privat?
Ich lese gerne gute deutsche Übersetzungen, z.B. die der tollen neuen französischen, japanischen und russischen Romane. Dazu möglichst viel deutsche Literatur, um meine Sprache weiterzubilden. Eine bessere Nachhilfe gibt es nicht. Und ein guter amerikanischer Roman im Original ist auch immer wieder ein großes Vergnügen.

Dieses Interview wurde von Tina Rausch für »büchermenschen« 5/2005 geführt.